HOLZBURGER BLÄTTER

Die Holzburger Blätter sind eine Publikationsplattform, in der in loser Folge Dinge und Objekte aus dem Bereich Kunst und Kultur vorgestellt werden sollen.
Schwerpunkt ist dabei die Verbundenheit mit dem Objekten des Schwälmer Dorfmuseums Holzburg und der Sammlung Merk Holzburg. Herausgeber der Holzburger Blätter ist Dr. Anton Merk.

Anton Merk

ZWEI STÜHLE

AUS DEM SCHWÄLMER DORFMUSEUM

Der Bestand an Stühlen im Schwälmer Dorfmuseum Holzburg setzt sich aus zwei Quellen zusammen. Auf der einen Seite steht der Altbestand des Museums, der im Wesentlichen die ländlichen Sitzmöbel aus dem 18. und 19. Jahrhundert umfasst. Auf der anderen Seite stehen die Stühle aus dem ehemaligen Gasthaus Wahl, die in den Museumsbestand integriert worden sind.

Hochzeitsstuhl, 1827

Hössigestuhl

Buchenholz, geschnitzt, ausgesägt und gefasst
Schwälmer Dorfmuseum Holzburg
Inventarnummer 2.1.4.2
Provenienz: 1953 von Heinz Metz durch Ankauf erworben, 1959 dem Museum übergeben.
Erhaltungszustand: Löcher vom Wurmbefall. Das A, die 7 und das ausgesägte Herz zwischen den Streben der Vorderseite sind neue Ergänzungen aus Sperrholz.

Die Hochzeitstühle bewahrten in einer Landschaft wie der Schwalm, in der ab dem 18. Jahrhundert Brettstühle als Sitzmöbel üblich waren, den älteren Aufbau des Pfostenstuhls mit den in die Seitenteile der Rückenlehne übergehenden Beinen (Abb. 1).

Hochzeitsstühle sind eher Urkunden oder Rechtsmittel als Sitzmöbel. Sie sind das Symbol für die Aussteuer, die mit dem Kammerwagen von dem Heimatdorf der Braut in das neue Haus gebracht wurde. Deswegen wurden sie besonders mit Schnitzereien geschmückt und mit dem Namen der Braut oder des Bräutigams versehen, falls ein Mann eingeheiratet hat. Sie sind ein Symbol für die Ehe. Daher kommt auch das Sprichwort, dass bei Ehestreitereien der Stuhl vor die Tür gestellt wird. Die Hochzeitsstühle standen in der Schlafstube. Auf ihnen wurden die Kleider abgelegt (Abb. 2).

Die Hochzeitstühle wurden reichhaltig geschnitzt und auch gefasst. Auf Ihnen findet man die ganze Palette an Ornamenten, die in der Schwalm verwendet worden waren. Tulpe, Herz und Rosette sind an dem Holzburger Stuhl zu finden (Abb. 3-5). Der Holzburger Hochzeitstuhl weist darüber hinaus eine Besonderheit auf. Er wurde von einem Schreiner mit Schreibschwäche gefertigt. Auf der Rückenlehne steht der Schriftzug „Anna Katharinasch“ daneben ist ein = eingeschnitzt und darunter in einem kleinen Feld „mit“. Anna Katharina Schmit stammte vermutlich aus Röllshausen.

Der Pfostenstuhl ist in der Schwalm nicht ganz verschwunden, sondern wurde in Nausis in einfacher Form weiter produziert. Dieser Nausiser Stuhl fand eine weite Verbreitung und löste den Brettstuhl ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Alltagsstuhl weitgehend ab (Abb.6).

Eine Variation ist der sogenannte Vogelsberger Stuhl (Abb. 7). Dieser Stuhl gleicht dem Nausiser Stuhl weitgehend, außer dass die Beine rund und gebogen sind und die gedrechselten Teile länger. Insgesamt erscheint er etwas eleganter und auch aufwendiger in der Herstellung. Das Schwälmer Dorfmuseum besitzt ein Ensemble dieser Stühle.

Brettstuhl (Kurfürstenstuhl)

Anfang 19. Jahrhundert, nach 1804
Holz, geschnitzt und an der Krone braun gebeizt
Schwälmer Dorfmuseum Holzburg
Inventarnummer: 2.1.4.4
Alte Inventarnummer: 01252

Der Brettstuhl mit dem auf schräg stehenden Beinen ruhenden Sitz und der in diesem eingefügten Lehne entwickelte sich in der Spätrenaissance und wurde seit dem späten 18. Jahrhundert von der Stadt auch auf das Land übernommen. Die Lehne der Brettstühle ist fast immer auch ornamental gestaltet.

Eine besondere Form unter den Brettstühlen ist der Kurfürstenstuhl (Abb. 8). Er zeigt auf der Lehne eine Kurfürstenkrone. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der Brettstuhl im Zusammenhang mit der Aufwertung der Landgrafschaft Hessen-Kassel in ein Kurfürstentum entstanden ist. 1804 wurde aus Landgraf Wilhelm IX. Kurfürst Wilhelm I. (Abb. 9). Diese machtmäßig unerhebliche Aufwertung zum Ende des Heiligen Römischen Reiches war in Kurhessen selber doch ein so wichtiges Ereignis, dass auf Brettstühlen daran erinnert wurde. Der Kurfürstenstuhl fand eine weite Verbreitung in der Schwalm. Das Schwälmer Dorfmuseum Holzburg besitzt allein drei dieser Stühle. Aufgrund des zugrunde liegenden politischen Ereignisses sind die Kurfürstenstühle um 1804 und danach entstanden.

Die Brettstühle wurden aufgrund ihrer Schönheit und Qualität bis in die Gegenwart von Schreiner nach altem Vorbild nachgebaut wie der Stuhl von Johann Heinrich Faust aus dem Zeit um 1960 beweist. Schwälmer Dorfmuseum Holzburg, Inventarnummer 2.1.4.7. (Abb. 10).

Industriell gefertigt wurde der sogenannte Alsfelder Wirtshausstuhl, der von der Alsfelder Stuhlfabrik gestellt wurde (Abb. 11). Dieser Stuhl war weitverbreitet und fast der Standardstuhl in Wirtshäusern und Kantinen.

Ausstellungen: Schwälmer Dorfmuseum Holzburg: Tulpe, Herz und Stern 2012, Stühle, 2014, Das ABC der Schwalm 2017.

Literatur: Hans Prinz: Bauernmöbel in der Schwalm, Schwalmstadt 1980, Abb. 40 .- Barbara Greve: Die Schwalm – Menschen in Bildern, Schwalmstadt 1984.- Unbekannter Autor: Schwälmer Brautstuhl der Anna Katharina Schmitt (sic!), Typoskript Holzburg , ohne Jahr aber nach 1995, Schwälmer Dorfmuseum Holzburg, Inventarverzeichnis bei 2.1.4.2

Abbildungsnachweis (alle Fotos von Anton Merk):

Abb. 1: Hochzeitstuhl, 1827, Schwälmer Dorfmuseum Holzburg, aufgenommen in der Ausstellung „Stühle“
Abb. 2: Hochzeitstuhl, Schwälmer Dorfmuseum Holzburg
Abb. 3, 4 und 5: Details des Hochzeitstuhles
Abb. 6: Nausiser Stuhl, Privatbesitz Holzburg
Abb. 7: Vogelsberger Stuhl, Schwälmer Dorfmuseum Holzburg
Abb. 8: Kurfürstenstuhl, nach 1804, Schwälmer Dorfmuseum Holzburg
Abb. 9: Kurfürstenstuhl, Detail
Abb. 10: Brettstuhl, Johann Heinrich Faust, Schwälmer Dorfmuseum Holzburg
Abb. 11: Alsfelder Wirtschaftsstuhl, Privatbesitz Holzburg

Artikel von 2018